Atiycuy Perú

Ich bin nun schon seit einem Monat hier in Villa Rica. Ich habe mich recht schnell eingelebt, an mein neues Umfeld gewöhnt und so etwas wie einen Alltag entwickelt. Das Team, mit dem ich hier arbeite und teils auch zusammenlebe hat es mir sehr einfach gemacht mich zurechtzufinden und in der ‚Familia Atiycuy‘ anzukommen.

Ich möchte hier gerne genauer erklären, was Atiycuy Perú überhaupt macht und mit welchem Ziel. Die Arbeit der NGO fokussiert sich auf die nachhaltige Entwicklung im Regenwald. Der Hauptteil besteht aus der Zusammenarbeit mit den letzten Gemeinschaften des Yanesha-Volkes (den Comunidades). Das Projekt ist in Peru einmalig, denn es umfasst Bereiche wie Armutsbekämpfung, Menschenrechte, Identität/Kultur genauso wie Natur- und Umweltschutz. Umgesetzt ist das ganze in fünf Programmen:

Anna

(Acompañamiento de niños, niñas y adolescentes)

ANNA unterstützt die Kinder in den Comunidades, die aufgrund der Armut und den fehlenden Lebensstrukturen kaum Rückhalt geboten bekommen. Sie werden von einer Psychologin begleitet und das Team bietet diverse Kinderfreizeiten an, um diese in ihrer Entwicklung und Entfaltung zu stärken. Zudem gibt es ein Patenschaftsprogramm in Deutschland, dass den Betroffenen eine bessere Zukunft bieten soll.

COBIO

(Conservación y Biodiversidad)

Atiycuy besitzt mit ca. 20.000 Hektar eines der größten privaten Naturschutzgebiete Perus, dass vor der Abholzung gerettet werden konnte. Dieses muss geschützt und überwacht werden mit Hilfe von Waldhütern, Drohnen und Satellitentechnik. Es werden regelmäßig Expeditionen gestartet, um das Gebiet zu erkunden und passende Standpunkte für Kontrollposten zu finden.  Außerdem ist es Teil des Programms, Workshops zu Themen wie nachhaltigem Kaffeeanbau und Schutz der Waldgebiete mit den indigenen Gemeinschaften der angrenzenden Gebiete durchzuführen.

GEA

(Gestión Educación Ambiental)

GEA arbeitet vor allem mit Jugendlichen in Villa Rica und einem Nachbardorf zu den Themen Nachhaltigkeit, Klimawandel und Ökosysteme. Im ‚Club ecológico‘ werden nachhaltige Mini-Projekte gemacht, wie zum Beispiel der Bau einer Kompostanlage oder Workshops zu Heilpflanzenkunde. Aber auch in den Comunidades werden Projekte wie Bienenzucht oder Ökotourismus aufgebaut. Zudem steht unser Garten und die Versorgung der Tiere unter der Verantwortung von GEA.

CCNN

(Comunidades Nativas)

Dieses Programm, in dem auch ich arbeite, hat das Ziel, die indigenen Gemeinschaften in ihrer Selbstverwaltung und Dorfentwicklung zu stärken. Durch jahrelange Vertreibung, Ausbeutung und Unterdrückung haben nur wenige Yanesha-Gemeinschaften überlebt und durch kolonialen Landraub fast ihr gesamtes Territorium und damit ihre Lebensgrundlage verloren. Die Mehrheit lebt in großer Armut, hat kaum Zugang zu Bildung und verfügt nicht über die Mittel, ihre Ressourcen und ihre Menschenrechte zu verteidigen. Deshalb erarbeiten die einzelnen Gemeinschaften in einem jahrelang dauernden Prozess eine eigene Dorfverfassung, die ihnen hilft, ihre Autonomierechte durchzusetzen und das Gemeinwesen zu stärken. Begleitet werden sie dabei von unserem Team und unserer Anwältin. Dazu gehören auch Behördengänge und Gerichtstermine.

REYA

(Rescate Yanesha)

Durch die Kolonialisierung und Vertreibung ist ein großer Teil der Yanesha-Kultur verloren gegangen. Deshalb veranstaltet das Kulturerhaltungsprogramm in den Dörfern Workshops zu verschiedensten Kunsthandwerken, zum Beispiel das Färben der Cushmas (die traditionellen Gewänder der Yanesha) aus natürlichen Pflanzenstoffen, Gesichtsbemalung und ihre Bedeutung oder die Kunst des Körbe Flechtens.  Die Projektkoordinatorin Cely ist selbst eine Yanesha und kennt sich sehr gut aus. So lernen die Menschen ihre Kultur wieder besser kennen und wertschätzen.

Atiycuy Perú arbeitet also auf vielfältige Art und Weise mit den Menschen und der Natur, um zu einer nachhaltigen Entwicklung des Regenwaldes beizutragen.

Nun zu meinem Alltag. Auch wenn jeder Tag ein wenig anders abläuft, beschreibe ich hier mal grob meinen Tagesablauf. Um acht Uhr frühstücken wir gemeinsam mit allen, die gerade im Haus wohnen, bevor es um halb neun (meistens eher um neun) an die Arbeit geht. Im Büro stehen verschiedenste administrative Aufgaben auf dem Plan. Alle Aktivitäten müssen geplant und dokumentiert, Listen und Protokolle aktualisiert und digitalisiert, Berichte und Kostenvoranschläge rechtzeitig eingereicht werden. Generell wird den ganzen Tag gearbeitet, von 8.30 – 13.00 Uhr und von 14.30 – 18.30 Uhr. Um sieben gibt es Abendessen und danach ist Zeit für Freizeitaktivitäten. Mal mache ich Sport, mal gehen wir noch mit denen, die Lust haben ein bisschen raus oder wir sind alle so fertig, dass wir früh schlafen gehen.

Oftmals sind wir aber an mehreren Tagen der Woche in den Comunidades unterwegs. Das bedeutet, man macht sich zwischen 4 und 6 Uhr morgens auf den Weg, die Fahrt dauert ca. zwei bis fünf Stunden, je nachdem wo es hingeht. In manche Dörfer führt auch keine Straße, also wandert man noch einige Kilometer in Gummistiefeln durch den Urwald bis zum Ziel. Dabei sieht man viel von der wunderschönen Landschaft, durchquert Flüsse und lernt etwas über verschiedenste exotische Pflanzen und Tiere. Wir verbringen dann den Tag im Dorf, arbeiten mit den Bewohner*innen an der Verfassung oder diskutieren akute Probleme und die nächsten Lösungsschritte. Das variiert immer, denn jede Comunidad hat mit anderen Hindernissen zu kämpfen. Meist machen wir uns dann im Laufe des Tages wieder auf den Rückweg und kommen erst spät abends in Villa Rica an. Manchmal bleiben wir aber auch eine Nacht im Dorf.

Meine Aufgabe in den Dörfern besteht darin, alles in Form von Fotos festzuhalten, alle Materialien vorzubereiten und die Teilnahmelisten zu führen. Dabei habe ich die Möglichkeit, viel mit den Menschen in Kontakt zu kommen und ihre Lebensweise und Kultur kennenzulernen. Die Yanesha freuen sich auch riesig, wenn man ein paar Worte in ihrer Sprache sagen kann. Deshalb haben wir jeden Montag Yeñoño-Unterricht bei Maestro Jeronimo, der extra aus seinem Dorf bis nach Villa Rica kommt und versucht, uns einige Worte und Sätze dieser komplizierten Sprache beizubringen. Das klappt mal mehr, mal weniger erfolgreich, aber wir geben unser Bestes.

Ich freue mich auf die weitere Zeit hier mit tollen Menschen und bin gespannt,
was mich alles erwartet und was ich alles noch erleben darf. 🙂

Für einen genaueren Einblick in die Arbeit von Atiycuy Perú und der deutschen Partnerorganisation Chance e.V, gibt es auf dem Youtubekanal aktuelle Videos:

Mein Regenwald - Das Projekt
https://youtu.be/xl0I71z9OXc
Starke Dörfer - Die Rettung der Dörfer und des Regenwaldes:
https://youtu.be/pudBJxbz6H4

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