Endlich Zuhause?

SG-Meer

Endlich Zuhause

Schon fast zwei Monate bin ich nun wieder in Deutschland… krass, wie schnell die Zeit vergeht. Manchmal denke ich darüber nach, ob ich eigentlich einen Kulturschock hatte. Die Frage kann ich bis heute nicht beantworten. Tatsächlich haben mich einige Sachen geschockt, aber ob das so sehr kulturell war? Ich glaube eher, es war ein Schock über mein eigenes Leben in Deutschland bzw. die Erkenntnis, dass dieses so wie vor einem Jahr gar nicht mehr existiert.

Was hat sich geändert? Zuerst ein Mal möchte ich dazu sagen, dass sich vieles am Anfang so überraschend normal angefühlt hat und es gar nicht so komisch war, plötzlich wieder hier zu sein. Ein paar kleine Dinge sind mir trotzdem aufgefallen:

1. Toilettenpapier

In Costa Rica ist es aufgrund des anders beschaffenen Kanalisationssystems üblich, das Toilettenpapier nicht in der Toilette, sondern in einem Mülleimer daneben zu entsorgen. Nachdem ich das ein Jahr lang so gemacht habe, war es ziemlich zeitaufwändig, diese Angewohnheit zu vergessen. Nach vier Wochen in Deutschland ließ dann die Verwirrung beim Betreten eines Badezimmers ohne oder mit nur sehr kleinem Abfallbehälter so langsam nach…

2. Häuserbau

Direkt in den ersten Minuten im eigenen Haus fiel mir besonders eins auf: Alles ist schwer. Die Türen fühlten sich schwer an, Wasserhähne ließen sich nur mit Kraftaufwand aufdrehen und außerdem hingen die Türklinken weit oben. In Costa Rica waren die Häuser und Möbel oft nicht so „stabil“ gebaut wie hier. Wände waren z.B. aus Gips, Fenster nur einwandig und Tische nicht aus Vollholz (zumindest nicht überall). Aufgrund der geringen Temperaturschwankungen in den meisten Gebieten ist es allerdings auch nicht nötig, die Häuser zu isolieren, und Vollholz-Möbel sind nun mal teurer als solche aus Plastik oder Sperrholz. Dazu muss auch gesagt werden, dass die meisten costa-ricanischen Haushalte weniger Möbel und allgemein weniger Gegenstände besitzen.

Die Bilder der Baustelle lassen die Dicke der Wände gut erkennen.
Nach nur ein paar Tagen fühlten sich diese Unterschiede wieder normal an.

3. Ruhe

In meiner ersten Nacht in Deutschland und nach vielen schlaflosen Reisestunden kuschelte ich mich voller Erwartung auf eine himmlische Nacht in mein geliebtes Bett… und blieb wach. Der Grund dafür war allerdings weder mein Bett, das so gemütlich war wie immer, noch kreisende Gedanken oder fehlende Müdigkeit. Was mich vom Schlafen abhielt, war die Stille. Was soll man auch nach 23 Uhr in einer Familiensiedlung am Rande der Stadt hören? In Costa Rica waren da viele Geräusche: die bestimmt sieben Hunde des Nachbarn, die sich immer gegenseitig anbellten, eine schallende Party im Barrio (Viertel) nebenan, knatternde Freightliner (Lkws) auf der großen Straße ein paar hundert Meter entfernt, der überlebensnotwendige Ventilator im Hintergrund… kein Wunder, dass mir da die plötzliche Stille zu schaffen machte. Und nicht nur in der ersten Nacht, sondern noch in vielen darauffolgenden. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt und freue mich vor allem, dass es nachts nicht brütend heiß ist.

Die zwei Süßen auf den Bildern waren zwar nicht verantwortlich für das Gekläffe in meiner Nachbarschaft am Pazifik, konnten aber zu Fincazeiten früh morgens auch sehr laut werden.

4. Luftfeuchtigkeit

Gerade an meinem letzten Wohnort am Pazifik ist die Luftfeuchtigkeit immer sehr hoch, weshalb man schon direkt nach dem Aufstehen geschwitzt hatte, ohne bereits irgendetwas getan zu haben. Als ich dann in Deutschland ein paar „heiße“ Sommertage mitbekam, wunderte ich mich, dass meine Familie die Temperatur so hoch empfand. Ich dagegen fand es zwar warm, aber angenehm „frisch“ oder „luftig“. Noch lustiger wurde es, als dann Lilli aus Namibia heimkam, die das andere Extrem (sehr trockene Hitze) erlebt hatte und der die Temperaturen in Deutschland viel höher vorkamen als ich sie empfand.

Komischerweise sind mir diese kleinen Dinge viel weniger aufgefallen, als ich von Deutschland nach Costa Rica kam als anders herum. Vielleicht war ich damals einfach mehr darauf eingestellt, dass viel anders sein würde, und vor meiner Heimreise hatte ich gar nicht mehr an die kleinen, übersehbaren Dinge gedacht.

Neben diesen eher weniger krassen „Schocks“ gab es jedoch noch größere, die mich weitaus mehr beschäftigten:

So wie Goofy ging es mir auch bei der Hitze. Als Hund kann man auch einfach daliegen und nichts tun.

5. Fehlende Struktur

Mein Leben, wie ich es vor Costa Rica geführt habe, gibt es nicht mehr. Ich gehe nicht mehr zur Schule, kann wegen meiner Rückenbeschwerden derzeit keinen Sport mehr machen und muss mir plötzlich überlegen, wie mein Leben weitergehen soll (das hatte ich mir in CR natürlich schon überlegt, war aber noch zu keinem festen Ergebnis gekommen). Nach mehreren Überlegungen, hin und her, Hochschul- und Stadtbesichtigung und schließlich Fast-Einschreiben für meinen favorisierten Studiengang wählte ich doch einen Plan B: Erst mal weiter zuhause wohnen bleiben, meine Rückenprobleme abklären lassen und für einen interessanten Studiengang in der Nähe einschreiben. Heute (am 11.10.2023) war ich bereits das erste Mal in der Uni und habe einen Einstufungstest über meine Spanischkenntnisse geschrieben. Jetzt geht es auch bald los und es laufen schon die Vorbereitungen wie Stundenplan erstellen, etc. Dadurch habe ich so langsam und nächste Woche mit Start der Vorlesungen dann so richtig wieder eine Struktur in meinem Tagesablauf. Die Zeit bis dahin war jedoch schwer: Mir fehlte einfach die Struktur und die Dringlichkeit, Dinge erledigen zu müssen, um genügend Motivation für meine anstehenden Aufgaben zu finden. In dem Hinblick macht Schule doch so einiges einfacher (wobei ich meine Schulzeit bisher noch nicht vermisst habe). Durch meine fehlenden Hobbies, die immer aus Sport bestanden hatten, wusste ich auch nicht so richtig, womit ich meine Zeit füllen sollte. In Costa Rica wäre ich wohl einfach an den Strand gegangen und hätte mir den Sonnenuntergang mit einem frisch gemixten Smoothie in der Hand angesehen oder mir eine argentinische Empanada gekauft.

Muffins am Strand schmecken doch am besten.
Gilt tropische Früchte essen eigentlich auch als Hobby?
In Costa Rica sind die Sonnenuntergänge besonders schön.

6. Reisemüdigkeit

In Costa Rica war ich sehr oft unterwegs und saß fast jedes Wochenende stundenlang im Bus, um einen neuen oder bereits bekannten Ort zu besuchen. Damals war das sehr normal für mich und nicht besonders unbequem, auch wenn die Reise mal fünf Stunden dauerte. Hier jedoch stressen mich schon 40 Minuten im Zug (vielleicht liegt es auch einfach an der Verspätung der Deutschen Bahn, die ich bei meinen mindestens fünf letzten Zugfahrten nie nicht erlebt habe) und Autofahrten ziehen sich hin. Nach kurzer Zeit an einem anderen Ort verspüre ich schnell das Bedürfnis, wieder nach Hause zu fahren. Ich glaube, ich bin einfach sehr viel gereist im letzten Jahr und brauche erst ein Mal eine Pause davon oder muss mich zuerst wieder so richtig an mein Zuhause gewöhnen.

Blick aus dem Bus von der Finca in die Hauptstadt San José.
Buspause in einer Raststätte auf dem Weg nach Monteverde.
SG-Busterminal
Das Busterminal 7-10, wo mein Bus nach Jacó immer abfuhr.
Verpflegung muss auch sein… ab und an hat man sich in den Buspausen auch mal einen Smoothie oder die geliebten Tártaras de coco (Kokoskekse) gegönnt.

7. Freund*Innen ziehen weg

Mit meinen FreundInnen etwas zu machen, war plötzlich auch nicht mehr so leicht wie davor. Alle arbeiteten entweder lang oder waren bereits im Voraus verplant. In Costa Rica, sagen die Ticos selbst, wissen die meisten gar nicht, was sie am nächsten Tag machen werden, und planen schon gar nicht länger Treffen mit Freunden voraus. Diese Spontaneität ist leider in Deutschland schwer zu finden. Mittlerweile sind auch fast alle meiner FreundInnen weggezogen. Es ist total ungewohnt, dass man sich nicht in einer gemütlichen Runde nachmittags im Hainbad oder abends zum Grillen trifft und sich über aktuelle Themen im jeweiligen Leben austauscht. Treffen müssen jetzt länger vorausgeplant werden und meistens haben nur Einzelne Zeit. Das ist schade, und als die, die nicht ausgezogen, sondern hier geblieben ist, fühle ich mich doch ein bisschen einsam, weil ich nicht die Aufregung des Neuen habe, sondern in der gewohnten Umgebung bleibe. Mit der Ausnahme, das jetzt etwas fehlt. Vielleicht, überlege ich manchmal, spüre ich jetzt, wie sich das vor einem Jahr für meine Familie angefühlt hat, als ich von einem Tag auf den anderen 9.500 Kilometer entfernt war. Mit meinen FreundInnen etwas zu machen, war plötzlich auch nicht mehr so leicht wie davor. Alle arbeiteten entweder lang oder waren bereits im Voraus verplant. In Costa Rica, sagen die Ticos selbst, wissen die meisten gar nicht, was sie am nächsten Tag machen werden, und planen schon gar nicht länger Treffen mit Freunden voraus. Diese Spontanität ist leider in Deutschland schwer zu finden. Mittlerweile sind auch fast alle meiner Freundinnen weggezogen. Es ist total ungewohnt, dass man sich nicht in einer gemütlichen Runde nachmittags im Hainbad oder abends zum Grillen trifft und sich über aktuelle Themen im jeweiligen Leben austauscht. Treffen müssen jetzt länger vorausgeplant werden und meistens haben nur Einzelne Zeit. Das ist schade, und als die, die nicht ausgezogen, sondern hier geblieben ist, fühle ich mich doch ein bisschen einsam, weil ich nicht die Aufregung des Neuen habe, sondern in der gewohnten Umgebung bleibe. Mit der Ausnahme, das jetzt etwas fehlt. Vielleicht, überlege ich manchmal, spüre ich jetzt, wie sich das vor einem Jahr für meine Familie angefühlt hat, als ich von einem Tag auf den anderen 9.500 Kilometer entfernt war.

9.500 Kilometer von hier sieht es übrigens so aus.

Es ist schön wieder daheim zu sein

Trotz vieler großer und kleiner Schwierigkeiten bin ich froh, wieder in Deutschland und in meinem Zuhause zu sein. Ein bisschen neues erlebe ich auch, denn ich beginne ab nächster Woche ein 2-Fach-Studium in den Fächern Iberoromanistik und Skandinavistik. Den Einstufungstest für das Spanischniveau habe ich schon mal hinter mich gebracht. Und bin sogar in meinem Wunschkurs gelandet!

Dies wird fürs erste der letzte Blogartikel hier sein… ich danke euch allen fürs Lesen, Kommentieren, Spenden und für mich Beten! Vielleicht werde ich im Nachhinein noch ein paar Artikel über Costa Rica schreiben, wenn ich mal Zeit und Lust habe. Vorrangig möchte ich mich jedoch erst mal aufs Studium konzentrieren.

Auf meinem Instagram (svenja.costarica) werdet ihr weiterhin die Posts finden, die ich während des Jahres hochgeladen habe. Die App werde ich zunächst nicht mehr verwenden. Bei Fragen schreibt also am besten hier einen Kommentar oder kontaktiert mich anderweitig.

Pura Vida
Svenja

geschrieben von Svenja
(Freiwillige in Costa Rica 2022/23)

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